Bereits seit längerem ist das Phänomen bekannt, das in der warmen Jahreszeit, vor allem im Spätsommer, das Internet spürbar langsamer reagiert. Bisher vermutete man eine höhere Nachfrage nach Informationen als Ursache, und lange Zeit wurde diesem Thema keine grössere Aufmerksamkeit zuteil. Neue Studien belegen jetzt aber, dass die geothermischen Effekte viel stärker als erwartet Einfluss auf die Übertragungszeiten haben.
Die meisten Materialien dehnen sich aus, wenn sie erwärmt werden. Dies gilt auch für Kupfer und Glas. Dieser Effekt ist seit langem bekannt, und war mit ein Grund, warum die Kabel nicht mehr, wie dies früher durchaus üblich war, an hohen Stangen über Land verlegt wurden. Statt dessen ging man zur unterirdischen Verkabelung über, und glaubte, den thermischen Problemen damit aus dem Weg gegangen zu sein. Jetzt ist es aber so, dass sich die Erde im Sommer allmählich erwärmt, und zwar umso schneller, je weniger Wasser sie enthält. Diesem Umstand wurde bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit gewitmet.
Es ist davon auszugehen, dass sich Kupfer- und Glasfaserkabel mit einer Länge von mehr als etwa 100m sich im Sommer messbar ausdehnen. Weiter ist bekannt, dass sich elektrische Impulse und Lichtimpulse nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen können, wobei dies noch ein Idealwert ist, der selbst in Glasfaserkabeln nie erreicht wird. Durch die Ausdehnung des Kabels wird der zurückzulegende Weg länger, und die Signallaufzeit höher.
Ein weiteres Problem ist, dass bei Kupferkabeln mit steigender Temperatur der elektrische Widerstand steigt. Dass führt einerseits dazu, dass das Ausgangssignal schwächer wird, und Bitfehler zunehmen. Zum anderen bewirkt der höhere Widerstand eine zusätzliche Ausbremsung der Signale. Das heisst, die Signale können sich nicht mehr mit voller Geschwindigkeit durch das Kabel bewegen, und die Signallaufzeit erhöht sich abermals. Bei Glasfaserkabeln besteht dieses Problem naturgemäss nicht. Jedoch besteht bei billig verarbeiteten Kabeln, deren Anteil nicht unterschätzt werden sollte, die Gefahr, dass durch die Ausdehnung der Glaskern zu breit wird, was wiederum zu Bitfehlern führen kann.
Die unmittelbarste Auswirkung ist natürlich die, dass sie die erhöhten Signallaufzeiten bei weit entfernten Servern bemerkbar machen. Besonders unangenehm ist dies bei Werbebannern, da diese in der Regel nicht auf dem Webserver selbst, sondern auf einem, meist weit entfernten, separaten Werbeserver liegen. Die vermehrten Bitfehler führen ausserdem dazu, dass mehr Datenpackete neu angefordert werden müssen. Damit wird der Traffic unnötig erhöht, was wiederum auf die Performance drückt. Diese beiden Effekte allein können die Verzögerungen aber nicht vollständig erklären.
Die Lösung ist verblüffend einfach. Schuld ist der Unsicherheitsfaktor Mensch. Nach wie vor gibt es weltweit viel zu wenige Netzwerkspezialisten. Dies führt vor allem bei den billigeren Providern dazu, dass die Netzwerke schlecht geplant und/oder die Router schlecht konfiguriert sind. Werden die Signallaufzeiten allmählich immer länger, und die Bitfehler häufiger, so können solche Netzwerke in Schwierigkeiten kommen. Das hat natürlich unmittelbare Folgen für die an diesem Netzwerk angeschlossenen Computer, aber auch der Rest des Internets leidet unter Umständen daran, zum Beispiel durch falsch generierte Datenpackete, die durch die Leitungen irren.
Dieser Effekt wurde lange als unwahrscheinlich angesehen, bis ihm im Spätsommer 2001 ein grösserer Schweizer Provider erlag. Eine Leitung mit einem ohnehin schwachen Signal brach durch die allmähliche Erwärmung zusammen. Die dynamische Routingtabelle hätte eigentlich dafür sorgen sollen, dass automatisch auf eine andere Leitung ausgewichen wird. Durch einen Fehler in der Tabelle wurden die Router jedoch so konfiguriert, dass die Datenpackete, die sie erhielten, ständig hin und her geschickt wurden. Als Folge davon waren die Kunden das Providers nicht mehr in der Lage, das Internet zu erreichen. Umgekehrt war es vom Internet aus unmöglich, die Webserver dieses Providers anzusprechen, da keine Antworten mehr zurückkahmen. Die Geschichte führte dem Ansehen des Providers grossen Schaden zu, und wurde daher unter Verschluss gehalten. Erst jetzt konnte sie veröffentlicht werden, unter der Bedingung, dass der Provider nicht namentlich genannt wird.
Interessant ist übrigens, dass die Überseeleitungen von diesem Effekt nicht betroffen sind. Dies liegt vor allem daran, dass diese Leitungen gegen Umwelteinflüsse besonders abgesichert werden. Somit erklärt sich, warum Server an der Ostküste Amerikas häufig besser zu erreichen sind, als Server in entfernten Teilen Europas.
Tatsächlich scheinen schlecht geplante Netzwerke und falsch konfigurierte Router in Verbindung mit thermischen Effekten für die Mehrzahl der Verzögerungen verantwortlich zu sein. Die Behebung dieses Zustandes wäre prinzipiell einfach, doch macht sich hier der Fachkräftemangel bemerkbar. Erhöhte Investitionen in die Ausbildung, sowohl privat wie auch staatlich, würden sich also auszahlen.
Das Problem der thermischen Effekte an sich lässt sich nur beheben, indem die längeren Leitungen in isolierten oder gar klimatisierten Kanälen verlegt werden. Letzteres könnte auch als Investition in die Zukunft betrachtet werden, denn die Supraleitertechnologie dürfte schon bald einsatzfähig sein. Für Supraleiter, zumindest für die erste Generation, werden aber mit Sicherheit klimatisierte Kabelkanäle notwendig sein.
Kommen isolierte oder klimatisierte Kabelkanäle aus finanziellen Gründen nicht in Frage, so sollte zumindest bei der Materialwahl darauf geachtet werden, dass zu Kabeln gegriffen wird, auf die thermische Effekt möglichst wenig Einfluss haben. Damit wäre bereits viel gewonnen.